23.2. | Verständigung über Grenzen hinweg
2021 soll ein Impfjahr werden, das uns ein gefährliches Virus endlich eindämmen hilft. Sehr gut! Ich hoffe aber noch auf einen anderen Wirkstoff.
Den Antisemitismus glaubten Viele von uns nach den entsetzlichen Verbrechen während der Nazi-Diktatur überwunden zu haben. Aber – wie ein besonders zähes Virus – ergreift er seit einigen Jahren wieder Menschen aller Altersstufen. Wenn Kinder auf dem Schulhof „Du Jude“ als Schimpfwort gebrauchen, frage ich mich fassungslos, woher sie das haben … Wenn vernünftige Erwachsene über „die Juden“ abfällig reden, sollte man sie jedenfalls ganz ruhig fragen, ob sie jemals mit einem Angehörigen dieser Religion oder dieses Volkes gesprochen haben.
Als Theologe darf ich noch hinzufügen, dass Christen aller Konfessionen an einen Gott glauben, der Jude geworden ist! Das haben wir Weihnachten wieder weltweit gefeiert. Maria und Josef lebten und starben als Juden und auf sehr vielen Kreuzen finden wir oben ein kleines Schild mit den Buchstaben INRI: Jesus Nazarenus Rex Judaeorum = Jesus von Nazaret König der Juden. Auch wer das Glaubensbekenntnis der Christen nicht teilt, wird zugeben müssen: Unsere Kultur ist auch aus dem Judentum gewachsen, seit 2000 Jahren. Wer Juden ablehnt, sägt unsere Wurzeln ab!
Das Neue Jahr hält für Menschen, die an Antisemitismus erkrankt sind, eine gute kleine Spritze bereit: Genau 1700 Jahre wird jetzt die Urkunde alt, dass im Rheinland Juden leben und wirken dürfen! Es war der berühmte römische Kaiser Konstantin, der 313 den Christen erlaubte, nach allen Verfolgungen endlich ihren Glauben öffentlich leben zu dürfen. Acht Jahre später, im Jahr 321, stellte er auf eine Anfrage aus Colonia (!!!) fest: Ja, künftig dürfen auch Juden in Ämter der Stadtverwaltung berufen werden.
Bei uns in Bedburg gibt es seit Dezember 2020 eine Städtepartnerschaft mit der Stadt Pardes-Hannah Karker (bei Haifa) in Israel. Finden Sie nicht auch: Das macht Hoffnung! Solche Brücken brauchen wir. Wenn Menschen sich verbünden über Grenzen hinweg, ohne ihre Verschiedenheit zu vertuschen, kann Weltgemeinschaft langsam wachsen!
Am 27. Mai wird es übrigens im Herzen von Berlin einen ganz besonderen ersten Spatenstich geben: Das „house of one“ wird unter seinem Dach eine Synagoge, eine Kirche und eine Moschee haben und in der Mitte einen Raum der Begegnung. Ist das nicht wunderbar – nach allem , was wir uns antaten und antun?
Vorurteile, Ausgrenzung und Hass dürfen schmelzen wie der Schnee an der Frühlingssonne.
Gerhard Dane (Pfarrer i.R.), Bedburg
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